27.04.2024

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Heimatkunde

Die Insel Rügen von den Anfängen bis zur Gegenwart

Die Architekturhistorikerin Sabine Bock bietet einen historischen Überblick von Deutschlands größter Insel, der sich an den Kirchspielen orientiert

Ute Eichler
21.03.2024

Dies ist selten: Eine Neuerscheinung uneingeschränkt loben zu können. In diesem Fall handelt es sich um ein Sachbuch, eine herausragende Dokumentation, die in über drei Jahrzehnten und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit erarbeitet wurde. Der Gegenstand der informativen Beschreibungen des gewichtigen Werks (drei Kilogramm) sind die Burgen und Schlösser, die Kirchen und Kapellen, die Rittersitze und Herrenhäuser der Insel Rügen.

Die Verfasserin Sabine Bock, Architek-turhistorikerin, geboren 1954 in Ilmenau, war im Alter von zehn Jahren zum ersten Mal auf Deutschlands größter Insel. Vielleicht hat sich bei ihr schon damals – eher unbewusst – ein Blick dafür entwickelt, wie steinerne Zeugen der Christianisierung und des ländlichen Lebens auf der Insel verfallen, aufgegeben werden, ganz verschwinden. Das Jahr 1945 war ein Einschnitt, und die nachfolgende Zeitspanne bis 1990 unter der „Diktatur des Proletariats“ ein Abschnitt, in dem Denkmalpflege eher auf dem Papier als in der Realität stattfand.

Das Besondere an Bocks Publikation ist die Herangehensweise. Nicht ein alphabetisches Abarbeiten, in welchem Ort sich welches Gutshaus erhalten hat oder wo welche Kirche zu finden ist, sondern eine Darstellung, die sich an den 30 historischen Kirchspielen orientiert – so wie diese bis 1945 bestanden haben. Das historische Kirchspiel in den Vordergrund zu rücken – das ist neu. Es ermöglicht dem Leser, Zusammenhänge zu erkennen. Wo haben die Adelsfamilien der Insel bis heute deutliche Spuren hinterlassen? Vor allem in den 27 erhalten gebliebenen Inselkirchen. Die konzentrierte Darstellung des Zusammenhangs zwischen den eingepfarrten Gütern und Domänen und ihrer Pfarrkirche eröffnet dem heimatkundlich Interessierten einen neuen Zugang.

Gegenüberstellung von Fotos
Den Blick schärfen kann auch die Wahrnehmung der Gegenüberstellung von älterem Bildmaterial, überwiegend nach 1945 aufgenommen, mit Aufnahmen aus den Jahren 2020 und 2021, die von Thomas Helms speziell für diese Veröffentlichung angefertigt wurden. Insgesamt wurde das Buch mit 1900 Abbildungen ausgestattet (Fotos, Karten, Zeichnungen, Pläne). Nebenbei: Der vom Fotografen (1992 in die Deutsche Gesellschaft für Photographie aufgenommen) gegründete und in Schwerin ansässige Thomas Helms Verlag begeht 2024 das 30. Jahr seines Bestehens. Er ist bekannt für seine qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen, vor allem zu landesgeschichtlichen Themen Mecklenburgs und Pommerns.

Auch heute noch drohen auf Rügen der Verlust von Baudenkmälern wie Lancken auf der Halbinsel Wittow, ihre Verschandelung oder eine unangemessene Nutzung. Auf der anderen Seite sind ermutigende Beispiele des Erhalts von Gutsanlagen beispielsweise in Boldevitz oder Kartzitz wahrzunehmen oder der gelungenen Sicherung einer Ruine – Pansevitz – und der Nutzung des Baumbestandes seines Schlossparks als Friedwald.

Das Buch bietet weit mehr als kompri-mierte Informationen aus den vergangenen neun Jahrhunderten Inselgeschichte zu Gütern und Vorwerken, Rittergütern und Rittersitzen, zu Wüstungen, Domänen und Burgen, zu Jagdschlössern, Kirchen und Kapellen (auch die katholischen sind berücksichtigt). Es ist ausgestattet mit einem Orts- und Personenregister, einem ausführlichen Bildnachweis, einer Literaturliste, einem Verzeichnis der genutzten Archive und Sammlungen, einem alphabetischen Verzeichnis der vorgestellten Familienwappen, und es hat dankenswerterweise eine Einführung, welche die Zeit von den Anfängen der Besiedelung der Insel bis in die Gegenwart umfasst.

Es gelingt der Autorin, nicht mehr Vorhandenes sichtbar zu machen und das Erhaltene sicher in den historischen Zusammenhang zu stellen. Es ist ein unerschöpfliches Nachschlagewerk entstanden, ein Schatz für alle, die auf Rügen leben, die von Rügen stammen oder die es als Besucher immer wieder auf die Insel zieht. Ein Werk, das in allen Bildungseinrichtungen der Insel vorhanden sein, in den Leseräumen der Badeorte ausliegen müsste und dem eine dankbare Nutzerschaft zu wünschen ist.

Sabine Bock: „Rügen. Burgen und Schlösser, Kirchen und Kapellen, Rittersitze und Herrenhäuser“, Thomas Helms Verlag, Schwerin 2022, gebunden, 788 Seiten, 128 Euro


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