27.04.2024

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Die Welt im Banne Putins

In wenigen Tagen sind die Russen dazu aufgerufen, ihrem Präsidenten eine weitere Amtszeit zu ermöglichen. Obwohl von einer demokratischen Wahl keine Rede sein kann, kommt die Welt auch in Zukunft nicht an ihm vorbei

Alexander Rahr
10.03.2024

Es herrscht absolut kein Zweifel daran, dass Wladimir Putin in wenigen Tagen zum fünften Mal zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt werden wird. Aller Voraussicht nach wird er dann bis zum Jahre 2030 herrschen – und die Welt in Atem halten. Er wird, wenn seine Amtszeit endet, 78 Jahre alt sein – so alt wie Joe Biden, als dieser vor vier Jahren zum US-Präsidenten gewählt wurde. Der älteste russische Herrscher aller Zeiten war Leonid Breschnew, ihn wird Putin altersmäßig überholen. Übertreffen wird er auch Stalins Herrschaftsperiode von 29 Jahren. Übrigens erlaubt die überholte Verfassung Putin, 2030 erneut für sechs Jahre anzutreten. So wie es aussieht, bekommt der Westen Putin nicht los – und er wird noch viele westliche Staatschefs überdauern.

Wenn man sich vergegenwärtigt, wie Boris Jelzin mit nur 69 Jahren krankheitsgeschwächt aus dem Amt schied, ist Putin äußerlich fit für seine Amtsgeschäfte. Ein Nachfolger ist weit und breit nicht zu sehen, obwohl nicht auszuschließen ist, dass Putin bereits einen jüngeren Gouverneur oder Minister als Erben im Auge hat. Die von jahrelangen Instabilitäten vor und nach 1989/91 geplagten Russen sehen in Putin einen Garanten für den Zusammenhalt und Stärke Russlands. Sein Ansehen ist im Volk sehr hoch, die gesamte Politik ist auf ihn fixiert.

Eine Wahl im Schatten des Krieges
Der Kremlchef hat es geschafft, den Großteil seiner Bevölkerung im Ukrainekrieg, den er eigentlich als Blitzkrieg schnell gewinnen wollte, davon zu überzeugen, dass es im Konflikt um die Existenz Russlands gehe. Der Westen habe Russland durch die NATO-Ausdehnung bis an die Grenzen Russlands herausgefordert. Russland hätte keine andere Wahl gehabt, als militärisch einzugreifen, um russische Sicherheitsinteressen zu wahren. Putin vermittelt den Russen erfolgreich das Narrativ von der Befreiung historischer russischer Territorien, die niemals zur Ukraine gehört hätten. Dass Russland damit die europäische Sicherheitsordnung, die sich nach dem Kalten Krieg in Europa manifestiert hat, zerstört, und dass er den Zerfall der Sowjetunion dem Westen ankreidet, wird in Russland nicht in Frage gestellt. Dieses Narrativ könnte die Diplomatie Russlands der zweiten Hälfte der 2020er Jahre entscheidend prägen. Diejenigen Stimmen im Westen, die in den Tagen des Zerfalls der Sowjetunion darüber sinnierten, dass Russland sich langfristig mit dem Verlust seines Imperiums nicht abfinden würde, scheinen recht gehabt zu haben.

Putin hat seinem Volk seinen Personenkult aufgesetzt, obwohl es vielmehr die Herrschaftselite war, die – ausgehend von eigenen Machtinteressen – den einst schüchtern wirkenden KGB-Funktionär zu einem allmächtigen Zaren geformt hat. Putins Wille, nicht die Verfassung, besitzt heute in Russland das letzte Wort. Niemand anderer ist in Russland für diese Frage zuständig. Das Parlament ist gleichgeschaltet, die Medien bedienen den Staat, Oppositionsparteien existieren nicht, Justiz und Kirche sind nicht unabhängig. Ob Russland irgendwann einmal wieder in eine Reform- und Demokratisierungsphase eintreten kann, ist aus heutiger Sicht äußerst ungewiss, auch wenn manche im Westen dies ganz anders sehen mögen.

Es ist in der Tat schwer zu verstehen, warum den Russen, die über Generationen hinweg in autoritären Systemen lebten, Werte wie Demokratie und Menschenrechte unwichtig und ein starkes Russlands wichtig ist. Natürlich gibt es im Land auch eine kritische Zivilgesellschaft. Sie zeigte sich bei der Beerdigung des Oppositionellen Alexej Nawalnyj, als Tausende sich trotz Verbots an Trauermärschen beteiligten. Aber die liberale pro-europäische Minderheit ist marginal, findet kaum die Möglichkeit, sich zu organisieren oder sich politisch zu artikulieren. Das wird sich unter Putin auch nicht ändern.

Ankündigung eines Elitenwechsels
Putin muss bei den Präsidentschaftswahlen keine Widersacher fürchten. Die sogenannten Gegenkandidaten kommen ausschließlich aus kreml-treuen Parteien, wie den Kommunisten. Putin selbst muss noch nicht einmal Wahlkampf betreiben, sich mit den anderen Kandidaten in Talkshows setzen. Wahlkampf zu machen ist unter seiner Würde, seine Botschaft hat er in seiner Rede vor der Föderalen Versammlung Ende Februar an die Bevölkerung geschickt. Putin versprach, Milliardensummen in das nationale Sozialwesen, in Bildung, in Infrastruktur und in Gesundheit zu investieren. Finanzieren kann er die neuen nationalen Projekte nicht ausschließlich durch Rohstoffverkäufe. Deshalb hat er zum ersten Mal Steuererhöhungen für Besserverdienende angekündigt. Die Zeiten, in denen jeder Bürger – egal ob arm oder reich – mit einem niedrigen Steuersatz von 13 Prozent belastet wurde, sind vorbei.

Putin will das Steuersystem sozial gerechter gestalten, und Entsetzen breitete sich auf den Gesichtern der Oligarchen aus, als er einen Elitenwechsel ankündigte. Diejenigen, die sich bislang bereichert hätten, müssten Platz machen für eine patriotische Elite, die künftig aus Personen bestehen soll, die sich in der „Militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine ausgezeichnet haben. Die Oligarchen sitzen in der Falle, sie können aufgrund westlicher Sanktionen ihr Kapital nicht mehr in „Off-shore“-Oasen in Sicherheit parken.

In diesem Jahr finden in über zwei Dritteln aller Staaten der Erde Wahlen statt. Entscheidend werden die US-Wahlen sein. Sollte Donald Trump gewinnen, hätte es die Welt mit einem gänzlich anderen Amerika zu tun. Putin würde ein Sieg Trumps entgegenkommen, denn mit ihm könnte er einen Deal zur Beendigung des Ukrainekriegs abschließen. Für Trump ist es wichtiger, einen russisch-chinesischen Militärblock zu verhindern, als die Ukraine zu retten.

Putin wird auch deshalb wiedergewählt werden, weil die russische Wirtschaft trotz Sanktionsdrucks floriert. Der Präsident hat die Volkswirtschaft des Landes auf Kriegswirtschaft umgestellt. Der Westen wird für eine ähnliche Umstellung mindestens zwei Jahre benötigen. Putin hatte sich auf den Krieg vorbereitet, enorme Währungsreserven angehäuft, die jetzt verbraucht werden. In Russland steigen die Löhne, es gibt keine Arbeitslosigkeit; Waren, die zuvor im Ausland gekauft wurden, werden jetzt zuhause produziert. Frontsoldaten und ihre Familien erhalten einen hohen Lohn, was sich auf die allgemeine Kaufkraft in der Bevölkerung auswirkt. Westliche Waren, die nicht in Russland produziert werden können, wie Hochtechnologie, werden aus den Ländern Asiens importiert. China, Indien, Südafrika, Iran – sie beteiligen sich nicht an den westlichen Sanktionen.

Und so zahlt sich Putins Strategie, durch den Ukrainekrieg den Wandel der Welt zu einer multipolaren Ordnung zu beschleunigen, für ihn aus. Er wird diesen Wandel in seiner künftigen Amtsperiode weiter forcieren – und der Westen sollte sich darauf einstellen.

Umdenken des Westens notwendig
Entgegen anderslautenden Aussagen wird der Westen nicht umhinkommen, letztendlich mit dem geächteten Putin den Frieden in der Ukraine und eine neue Sicherheitsarchitektur für den europäischen Kontinent auszuhandeln. Das wird Monate, wenn nicht Jahre in Anspruch nehmen. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass Russland in der Ukraine nicht gewinnen, aber auch nicht verlieren wird. Am Ende wird Russland vermutlich 15 Prozent des ukrainischen Territoriums und 40 Prozent der Rohstoffe des Nachbarlandes besitzen. Die Ukraine wird dafür vom Westen mit der Mitgliedschaft in der EU und einem Beistandspakt mit Großbritannien und anderen EU-Staaten kompensiert.

Deutschland wird als Partner Russlands ausfallen – für viele Jahre. Berlin hat die „Zeitenwende“ vollzogen. Anstatt weiterhin die Rolle des russischen Anwalts im Westen zu übernehmen, positioniert sich Deutschland nun als Anführer der Abschreckungspolitik gegenüber Moskau. Darauf zu hoffen, dass Putin gestürzt oder durch eine andere Person ersetzt wird, ist eine Illusion. Gleichwohl hat Putin bislang keines seiner Ziele erreicht, weder den Sturz der ukrainischen Regierung noch eine Demilitarisierung der Ukraine. Und so erleben wir eine zerstörerische Materialschlacht, in der beide Seiten die Abnutzung des jeweiligen Gegners erwarten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft weiter auf „Wunderwaffen“ aus dem Westen, wie den „Taurus“, den Deutschland aber verweigert. Putin setzt dagegen auf eine Kapitulation der ukrainischen Truppen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt will niemand im Westen eine Friedensregelung auf Kosten von Gebietsverlusten der Ukraine, denn das käme auch einer Niederlage des Westens und der NATO gleich. Und so läuft der Krieg einstweilen ohne Rücksicht auf die vielen Opfer weiter, bis eine der Kriegsparteien ausblutet.

Das Verhältnis zu Deutschland
Putin wird nicht entgangen sein, dass sein ehemaliger Lieblingspartner Deutschland inzwischen die Führungsrolle bei der militärischen und finanziellen Unterstützung Kiews innehat. Deutschland übernimmt jetzt aber auch die Rolle des Anführers des Westens im künftigen Kampf gegen Russland in Europa, wohlwissend, dass die USA diese Führungsrolle nicht mehr spielen wollen.

Gerade weil Putin für die nächsten Jahre der entscheidende Ansprechpartner in Russland bleibt, wäre der deutschen Außenpolitik anzuraten, gegenüber Russland „realistisch“ zu sein und nicht ausschließlich auf eine Totrüstung und Abschreckung Russlands zu setzen. Früher oder später wird der Westen wieder Abrüstungsgespräche und Verhandlungen für eine Koexistenz mit Putins Russland führen müssen. Zudem wird Berlin zum wichtigsten Mentor beim Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft und der Garant für die künftige Stabilität in der Ukraine.

Soll der Westen mit einem möglichen russischen Angriff auf die EU beziehungsweise die NATO rechnen? Das würde unweigerlich einen Atomkrieg auslösen. Putins Ziel ist es nicht, die untergegangene Sowjetunion wiederherzustellen, sondern die Begründung einer slawischen Union, bestehend aus den historischen Kerngebieten Russland-Weißrussland-Ostukraine. Der Westen wird alles dran setzen wollen, um das zu verhindern.

Alexander Rahr war von 1982 bis 1994 Analytiker für Radio Liberty und die Denkfabrik Rand Corporation sowie bis 2012 Programmleiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik für Osteuropa und Zentralasien. Er war Mitglied im Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs und Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums. Er ist Vorsitzender der Eurasien-Gesellschaft sowie Berater für diverse deutsche und russische Firmen. Rahr ist Autor mehrerer Bücher über Russland, u.a. einer Biographie über Wladimir Putin, den er im Laufe der Jahre mehrfach persönlich getroffen hat. www.eurasien-gesellschaft.org


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Kommentare

Peter Schmidt am 29.03.24, 10:55 Uhr

Nach dem grenzwertigen Artikel und nachdem 3 russische Bots hier ihre Giftspritze auf Deutschland und den Westen abgefeuert haben, braucht es einen realistischen Kommentar aus dem Heimatland. Also im Artikel wird der russische Präsident zu sehr gelobt und schöngezeichnet. Es muss mal gesagt werden, dass es sich um einen brutalen, grausamen und gewissenlosen Diktator handelt, der einseitig und unnötigerweise einen grausamen Raub- Eroberungs- und Vernichtungskrieg in der Ukraine führt. Unerwähnt bleibt auch, dass die "Wahlen" eine reine Farce und Inszenierung waren. Es wurden nur wenige Gegenkandidaten zugelassen, die Hr. Putin selbst ausgesucht hat und die von vornherein keine Chance hatten. Sie waren im Volk unbekannt, ihr Programm unterschied sich nur marginal von dem Putins, sie hatten nur wenige Minuten Redezeit im russischen Fernsehen, um sich vorzustellen, während über Hr. Putin und seinen "jahrzehntelangen aufopferungsvollen Kampf für unser Russland" tagelang abendfüllende Sendungen gelaufen sind und alle Moderatoren und Korrespondenten nicht müde wurden, ihn über den grünen Klee zu loben und in den Himmel zu heben. Der Personenkult ist schon fast so schlimm wie bei Stalin. Alle Kandidaten, die aus eigenem Antrieb antreten wollten, wurden wegen angeblicher Formfehler oder angeblicher Vergehen wie "Busfahren ohne Fahrschein" abgelehnt und ausgeschlossen. Putin hätte sicher auch eine echte demokratische Wahl gewonnen mit 55-60% , aber das ist ihm wohl zu wenig. Die Medien sind zu 100% in der Hand des Kremls und betreiben keine Information, sondern reine Propaganda. Dort werden ständige selektive Wahrheiten und teils auch echte Lügen verbreitet und seit 24 Jahren schon massiv Hass auf die USA, Europa, unsere Demokratie und die Ukraine geschürt, und es wird ein extremer, aggressiver Nationalismus und Chauvinismus gepredigt. Daher auch die verbreitete Zustimmung zu Putins Politik. (Das war in Hitlerdeutschland vor dem Krieg nicht anders.) Oppositionelle Stimmen gibt es in Russland schon lange nicht mehr, oppositionelle Politiker mit abweichenden Meinungen sind entweder tot, im Gefängnis oder im Ausland. Es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung, das wir uns hier gar nicht mehr vorstellen können. Wenn man nur das Wort "Krieg" statt "Spezialoperation" benutzt, wird man für 15 Jahre in ein Konzentrationslager gesperrt, wo die Behandlung so schlecht ist, dass es viele nicht überleben, wie z.B. Hr. Nawalny. Man sollte auch wissen, dass es den normalen Menschen in Russland bei weitem nicht so gut geht wie uns, auch wenn uns das vom Artikel und den ersten 3 Kommentatoren suggeriert werden soll. Abgesehen von fehlender sozialer Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit sind Einkommen und Lebensniveau deutlich niedriger. Es gibt etwa 100 superreiche Familien mit Millionenvermögen, das ständig wächst. Es gibt auch eine schmale Mittelschicht von Spezialisten, besonders in Moskau und Petersburg, deren Vertreter man vor dem Krieg am Mittelmeer im Urlaub begegnen konnte. Aber die breite Masse, besonders im kleinstädtischen und ländlichen Raum, verdient 200-400 Euro im Monat bei Preisen, die nur 25% niedriger sind als hier. Die Kriminalität ist deutlich höher trotz höherer Strafen, und die Korruption hat Ausmaße, die sich hier kaum jemand vorstellen mag. Ich glaube nicht, dass viele Deutsche wirklich in so einem Land leben möchten. Viele Leute hierzulande wissen einfach nicht, wie gut es ihnen hier in unserem demokratischen Europa geht und wie außerhalb Europas Milliarden Menschen leben müssen, für die wir ein Gegenstand begründeten Neides sind. Hr. Putin betreibt seit seinem Amtsantritt eine revanchistische und neoimperialistische Außenpolitik. Die Größe seines Landes auf der Weltkarte zu vergrößern und zusätzlich möglichst viel Macht über weitere Länder zu gewinnen ist ihm wichtiger als das Wohlergehen seines Volkes und dessen Infrastruktur (30% haben keine Innentoilette). Am liebsten möchte er so sein wie Stalin 1050. Von Demokratie hält er gar nichts, im Gegenteil empfindet er die Existenz demokratischer Staaten in seiner Nähe als Bedrohung seiner Herrschaft. Er strebt ein Bündnis möglichst aller Diktatoren gegen den demokratischen Westen an, letzteren will er spalten, schwächen und zerstören. (Dazu dienen auch Leute, die im Internet und in unseren sozialen Netzwerken unterwegs sind und massiv gezielte Desinformation betreiben, dazu gehören auch die ersten 3 Komentare.) Schon im Jahr 2000 war klar erkennbar, wohin Putin will. Wer hingehört und hingesehen hat, konnte es unmöglich übersehen. Die Vorgänge um das neue Atom-U-Boot "Kursk" und diverse Aussprüche von ihm waren eindeutig. Z.B. sagte er, dass die (friedliche) Auflösung der Sowjetunion für ihn die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts wäre, dass er Russland wieder groß, stark und mächtig machen will, dass sich Russland "von den Knien erheben" und anderen wieder Respekt einflößen soll, die Zeit des geopolitischen Rückzuges Russlands beendet werden muss und dass Russland für ihn überall dort ist, wo Menschen sind, die russisch sprechen. Hr. Rahr hat leider recht, dass wir noch ein paar Jahre mit ihm rechnen müssen. Aber wir werden uns ihm trotzdem nicht unterwerfen. Einen umfassenden Frieden mit einer umfassenden funktionierenden europäischen Sicherheitsarchitektur und gleicher Sicherheit für alle Länder (auch für die kleineren!) wird man mit Hr. Putin ganz sicher nicht hinbekommen. Dazu ist der weder willens noch fähig. Erstens will er nur Unterwerfung, keinen Interessensausgleich und keine Gerechtigkeit. Zweitens hat er mehrfach zur Genüge bewiesen, dass er grundsätzlich nicht gewillt ist, sich an paraphierte Regeln und Verträge zu halten, sondern sie jederzeit mit einer erlogenen Begründung bricht, wann immer ihm das opportun erscheint. Für die Großmacht Russland hält er es sogar prinzipiell für unzumutbar, sich an Regeln zu halten. Mit so jemendem kann man nicht verhandeln und umfassende Verträge abschließen. Das Maximum ist ein Waffenstillstand. Man darf sich aber nicht blind darauf verlassen, dass er ihn auch dauerhaft einhalten wird, sondern man muss ihn von einem erneuten Angriff glaubhaft abschrecken. Gemeinsame Sicherheit mit Russland und gegenseitiges Vertrauen wird es für sehr lange Zeit nicht geben, sondern nur Sicherheit vor Russland, einen neuen kalten Krieg und ein neues Wettrüsten. Daran können wir gar nichts ändern, vor allem nicht, solange Putin regiert. Ob sich Russland in 100 Jahren demokratisiert und uns wieder annähert, ist mehr als ungewiss. Wir sollten erstmal nicht damit rechnen. Andere Teile der Welt werden wirtschaftlich aufholen zu Europa und Nordamerika, was grundsätzlich wünschenswert ist. Deren relatives Gewicht wird dadurch abnehmen, aber unser Lebensstandard muss deswegen nicht sinken. Wenn er es tut, dann ist es unsere Schuld. Europa muss seine Politik gegenüber dem "globalen Süden" ändern und sich dort Bündnispartner suchen, darf diese Erdteile nicht allein Russland und China überlassen. Eine gerechte und regelbasierte Weltordnung wird es irgendwann wieder geben müssen, weil das die einzige Möglichkeit für ein dauerhaft friedliches Zusammenleben der Menschheit ist. Auch Hr. Putin wird nicht ewig leben und seine Diktatur nicht ewig dauern, genausowenig wie die von Francisco Franco, Adolf Hitler, Josef Stalin, Mao Tse Tung, Idi Amin, Pol Pot, Saddam Hussein, um nur einige zu nennen.

Hubert Holzner am 11.03.24, 12:47 Uhr

Lediglich gut belesen und nicht akademisch gebildet in gegenwartsgeschichtlichen Fragen erlaube ich mir ein paar kritische Anmerkungen zum Beitrag. Zunächst: Was soll die Kritik, dass in Russland die Wahl nicht demokratisch sei? Wer im Glashaus sitzt, werfe nicht mit Steinen – wie „demokratisch“ sind US-Präsidentenwahlen? Wahlen in der BRD, wo man jahrelang im Verein von Bundespräsident, Blockparteien, Verfassungsschutz und Massenmedien eine wachsende Opposition unterdrückt, Wahlen rückägngig macht?
Nun, immerhin gibt der Autor zu, dass Putin ein hohes Ansehen bei der Bevölkerung genießt. Ist deshalb das russische Volk doof? Oder arbeitet die Putin-Administration einfach gut, im Interesse Russlands und der Russen? Er hat von Jelzin einen wankenden Vielvölkerstaat übernommen und daraus eine stabile, stolze Nation gemacht. Das Wohlstandsniveau steigt, nicht für alle gleich, aber immerhin. Was gibt es zu kritisieren? Man vergleiche ihn mit Biden ...
Was der Autor in seinem Beitrag leider nicht berücksichtigt, ist das Bemühen Putins in seinen frühen Amtsjahren, ganz im Sinne Gorbatschows mit den europäischen Ländern am gemeinsamen „Haus Europa“ zu bauen, eine prosperierende Wirtschaftsregion von Lissabon bis Wladiwostok als Vision. Es war nicht er, auch nicht sonst irgendwelche Kräfte in Russland, die dies verhindert haben. Als jemand, der die RAND-Corporation gut kennt, hätte der Autor mehr dazu, zur Rolle der USA insbesondere in diesem Zusammenhang, schreiben können. Nicht Putin ist auf Konfrontationskurs zum Westen gegangen, er musste als eher „westlich“ denkender russischer Politiker eben begreifen lernen, dass maßgebliche „Kreise“ im Westen nicht an einer Integration Russlands in die europäische oder gar nordatlantische Gemeinschaft interessiert waren – vielleicht an dessen Ausplünderung? Die heutige Konfrontationsstellung zwischen Russland und dem Westen ist weiß Gott nicht Russland zuzuschreiben.
Die Geschichte von einem Putin, der sich nicht mit dem Zerfall der UdSSR abfinden könne, kann nur Kopfschütteln auslösen … sie muss halt herhalten, um das Bild des imperialistischen Dämons aus St. Petersburg immer wieder neu aufzukochen. Russland ist das rohstoffreichste Land auf diesem Globus, mit Abstand. Und jeder seinem Land verpflichtete Regierungschef hat hier darauf zu achten, dass Begehrlichkeiten von außen sicher abgewehrt werden können, am besten gar nicht erst aufkommen. Amerikanische Mittelstreckenraketen und Cruise Missiles in einem Nato-Land Ukraine würden Russland erpressbar machen. Wie real diese russische Sorge ist, kann bei US-Geostrategen wie Brzinski oder Friedman nachgelesen, bzw. angehört werden. Als intimer Kenner der RAND-Corporation sollte der Autor davon wissen. Er sollte auch von den 800 US-Militärbasen rund um die Welt fern der USA und rund 1 Billion Dollar jährlichen Ausgaben für Militär und CIA wissen. Womit die Frage, wo der expansionistische Hegemon sitzt, beantwortet wäre. Auf weitere Ausführungen sei an dieser Stelle aufgrund der schieren Anzahl wenig nachzuvollziehender und unvollständiger Darstellungen (um es vorsichtig auszudrücken) in diesem Beitrag verzichtet. Weder was die Beschreibung Putins und seiner Politik noch was die notwenidge Vollständigkeit der geopolitischen Beschreibung angeht, zeichnet dieser Beitrag ein einigermaßen reales Bild der Person und Politik Putins. Und wem es um eine friedliche Koexistenz mit Russland geht, darf auch gerne mal auf amerikanische Generale wie MacGregor, Clarke oder die deutschen Generale im Ruhestand Kujat oder Schulze-Rhonhof hören. Das täte man, wenn es einem wirklich um Frieden ginge. Und deren Bild von Putin ist deutlich anders als das der RAND Corporation und ihrer Jünger.

sitra achra am 10.03.24, 18:19 Uhr

Es ist ausschließlich der naiven und dummen Politik des Westens zuzuschreiben, dass sich die Dinge sicherheitspolitisch so entwickelt haben, wie sie sich derzeit darstellen. Es gab genug warnende Anzeichen für eine Radikalisierung der russuschen Gesellschaft und für eine abrupte Abkehr von gegenseitigen sicherheitspolitischen Abkommen. Hochmut, Ignoranz und Naivität im Dreierpack haben die Sicherheitsarchitektur des Westens untergraben.
Es wäre vielleicht besser, wenn Restdeutschland der Eurasischen Union beiträte, einem Partner , der zuverlässig und potent genug wäre, das Fortbestehen unseres deutschen Volkes zu garantieren und es aus suizidalen Kriegsgefahren im Sinne einer friedlichen Allianz herauszuhalten. In diesem Sinne kann man der Wiederwahl Putins gelassen entgegensehen.

Gregor Scharf am 10.03.24, 10:23 Uhr

Der Westen wird gar nichts verhindern, weil er kein Interesse daran hat, etwas zu verhindern. Welche Unsummen wurden bisher in die Ukraine investiert? Diese Investitionen hat man sich hier bereits schön gerechnet. Darüber hinaus gab es über zwei Jahrzehnte die Möglichkeit ein friedliches Miteinander zu gestalten.
Und was die Russen anbelangt, lag und liegt auf der Hand, dass sie sich nach einem Jahrhundert in einem anderen gesellschaftlichen System lebend, niemals dem des Westens anpassen und unterwerfen, weil es das Versprechen der Freiheit nur für einen verschwindend geringen Teil der Menschen halten kann. Die grosse Masse geht leer aus, Familienbande werden zerstört durch Nomadisierung der Arbeitswelt, beschönigt als Pendler, richtiger wäre Sklaven mit Werkverträgen oder Zeitarbeitsjobs. Mit einer solchen Perspektive kann man keine Familie gründen, weil sie zerrüttet wird durch soziale Unsicherheiten.
Das Gegenmodell zum Westen entsteht einmal wieder im postsowjetischen Raum. Wir haben nicht das Recht, den Russen vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Es ist ihre Sache. Umgekehrt gilt das genauso. Nur hält sich keine der beiden Seiten daran und das Gezerre geht weiter.
Konfrontation bis zum Abwinken bedeutet ein Jahrzehnt im Krieg. Dabei ist es völlig aberwitzig, zu glauben, die Russen warten, bis der Westen aufgerüstet hat. Die werden ihren Rüstungsvorsprung zu ihren Gunsten zu nutzen wissen.
Demokratie mag in Friedenszeiten angenehm und bequem sein, im Kriegszustand ist sie zu lange handlungsunfähig und ein Sicherheitsrisiko. Erst recht dann, wenn die Demokratie nur noch dem Namen nach eine solche ist und eine Parteientyrannei einer Diktatur gleich kommt. Deutschland hängt in den Seilen wie ein angeschlagener Boxer in der zehnten Runde. Permanenter "Arbeitskampf" zur Schwächung der Wirtschaft, politische Entscheidungen ebenso und eine verhetzte Bevölkerung im Angst- und Überforderungsmodus. Soll das die Grundlage sein für ein starkes und wehrhaftes Land, das sich wie viele Jahrhunderte zuvor dem Ansturm aus Asien stellte und Europa beschützte, während sich Engländer und Franzosen die Welt zum Untertan machten und ausbeuteten? Jetzt wird der eigentliche Verrat an Deutschland und seiner Bevölkerung sichtbar. Die Schaffung künstlicher Notsituationen durch innerstaatliche, politische Entscheidungsträger und Bedrohungen von aussen. Und das hat man nicht kommen sehen? Jeder Westentaschenphilosoph konnte es erkennen. Fakt ist: Es war und ist so gewollt, wie jedes Mal, sonst hätte man rechtzeitig gegengesteuert.

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